Die Ablauforganisation des Contract & Claim Managements (Teil 1)

Ablauforganisation Claim Management. Quelle: istockphoto.com; Urheber: alexsl, Bild:Entscheidungsflussdiagramm Lösungsprozessdiagramm. Nutzungsrechte erworben durch 1155PM consultants GmbH
 

12.05.2016. Zum richtigen Zeitpunkt die richtige Tat – Die Angebots-Phase eines Projektes.


In unserem in der Ausgabe 05/2016 des Branchenmagazins „Chemietechnik“ erschienen Fachartikel „Contract & Claim Management als Teamaufgaben“ sind wir unter anderem darauf eingegangen, dass Contract & Claim Management als integrale Managementsysteme der Projektabwicklung  sowohl in ihrem Aufbau, als auch in Ihrem Ablauf organisiert werden müssen. Die Aufbauorganisation des Contract & Claim Managements beschreibt die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für jede Rolle der Teammitglieder im Projekt, bezogen auf das Contract & Claim Management. Was beinhaltet jedoch die Ablauforganisation des Contract & Claim Managements und wozu wird diese benötigt? Der vorliegende Fachartikel gibt einen Überblick über diese Instrumente für die Angebots-Phase ("Tender-Phase") eines Projektes. Über die Instrumente, welche in der Engineering- und der Baustellen- / Fertigungs-Phase Anwendung finden, wird in späteren Fachartikeln eingegangen werden.

 

Die Ablauforganisation des Contract & Claim Managements hat zum Ziel, zu jedem Zeitpunkt entlang der Wertschöpfungskette eines projektgetriebenen Unternehmens die geeigneten Instrumente für das Contract & Claim Management klar definiert zur Verfügung zu stellen. Das übergeordnete Ziel hierbei ist es, ein methodisch einheitliches Vorgehen aller an der Projektabwicklung beteiligten Mitarbeiter sicherzustellen. Gleichermaßen wird der Zeitstrahl, auf dem das Projekt sich von der Bid-/No-Bid-Entscheidung (Auftragnehmerseite) oder „Make-or-buy?“-Entscheidung (Auftraggeberseite) zum Final-Taking-over hin entwickelt in geeignete Scheiben geschnitten, deren jeweiliger Start- und Endpunkt ein Instrument der Ablauforganisation des Contract & Claim Managements ist. Soweit so theoretisch. Was heißt dies in der Praxis? Nachfolgend gehen wir beispielhaft auf die einzelnen Projektphasen und hierin enthaltene typische Instrumente der Ablauforganisation des Contract & Claim Managements bei einem Auftragnehmer ein:

 

Die Angebots-Phase

1. Angebotsklassifizierung für das Contract & Claim Management

 

Mit dem Instrument „Angebotsklassifizierung“ wird identifiziert, welche Abwicklungskomplexität / welches Risikopotential der Kundenauftrag vermutlich haben wird. Nicht nur im Contract & Claim Management, aber hier besonders, ist es wichtig Einheitlichkeit in der Anwendung der Methoden des Contract & Claim Managements projektübergreifend zu gewährleisten. Gleichermaßen, muss mit den vorhandenen personellen Ressourcen effizient umgegangen werden.  Klassifiziert man das abzugebende Angebot (den angestrebten Kundenauftrag) hinsichtlich des Risikopotentiales, welches im künftigen Kundeauftrag stecken könnte, so kann die Risikoklasse (z.B. A, B oder C; „A“ = Turnkey-Auftrag, „C“ reines Komponentengeschäft)  dafür Indikator sein, wie das Contract & Claim Management skaliert werden muss. 

 

2. Angebotsrisiko-Check

 

Der Angebotsrisiko-Check ist als präventives Instrument innerhalb der Ablauforganisation des Contract & Claim Managements ("Nachforderungsmanagements")anzusehen. Er ist ein iterativer Prozess, der während der Angebotserstellung wiederholt wird, um die erwarteten Projektrisiken zu identifizieren und geeignete Abhilfemaßnahmen technologischer, kaufmännischer, vertraglicher und organisatorischer Art zu erarbeiten und im Kundenangebot zu berücksichtigen. Der Angebots-Risiko-Check wird hinsichtlich seines Umfangs, seiner Wiederholfrequenz und seines Teilnehmerkreises skaliert auf Basis der Angebots-Klassifizierung. Dies bedeutet zum Beispiel bei einer Einordnung des zu erarbeitenden Kundenangebotes in die Klasse „A“ („Turnkey-Auftrag“), dass eine Skalierung wie folgt aussehen könnte:

 

  • Der Angebotsrisiko-Check wird als gemeinsame Besprechung im Angebotsteam durchgeführt. Teilnehmerkreis: Angebotsleiter, Mitglieder der technischen Fachdisziplinen, nominierter Contract & Claim Manager, nominierter Projektmanager.
  • Die erwarteten Projektrisiken werden auf Basis einer detaillierten unternehmensspezifischen Checkliste identifiziert und deren Wechselwirkungen untereinander aus Sicht der jeweiligen Fachdisziplinen bewertet und Maßnahmen und deren Eigentümer festgelegt.
  • Der Angebotsrisiko-Check findet bis zur Angebotsabgabe alle 2 Monate statt mit vorgehend beschriebenem Teilnehmerkreis und Detailtiefe. Zielsetzung ist es die Angebotsrisiken soweit wie möglich zu minimieren.

 

Wird die Angebotsklassifizierung auf die Stufe „C“ („Komponentengeschäft“) festgelegt, so werden Teilnehmerkreis und Detailtiefe des Angebotsrisiko-Checks kleiner. In diesem Fall würde der Angebotsleiter den Risiko-Check z.B. alleine durchführen und nur wesentliche Angebotsrisikotypen einer Prüfung unterziehen. Ein Claim & Contract Manager ist zur Begleitung dies „C“-Angebotes zwar nominiert, wird jedoch nur fallweise vom Angebotsleiter hinzugezogen.

 

3. Verhandlungsvorbereitung

 

Kurz, aber rechtzeitig, vor der anstehenden Verhandlung des Angebotes und des Vertrages mit dem künftigen Auftraggeber ist diese vom Angebotsleiter des Auftragnehmers vorzubereiten. Auch wenn die Verhandlungsvorbereitung eher dem Vertriebsprozess zuzurechnen ist, so gehört sie doch zu den Instrumenten der Ablauforganisation des Contract & Claim Managements. Dies insbesondere, da zwischen den Verantwortlichen für das Contract & Claim Management und dem Angebotsleiter abgestimmt werden muss, welchen Verhandlungsrahmen es für Sachverhalte im Vertrag gibt, die den Umgang mit Ablaufstörungen, Abweichungen und Änderungen und deren Konsequenzen für das Projekt regeln. Die erfolgreiche Durchsetzung des eigenen Anspruchs auf Mehrvergütung ist hier das Ziel, um die wirtschaftlichen Folgen für das eigene Unternehmen zu minimieren. Da auch die Verhandlungsvorbereitung skaliert werden muss, kann hier z.B. festgelegt werden, dass „C“-Angebote stets einen standardisierten Verhandlungsrahmen für solche Aspekte haben. Ebenso, dass der benannte Contract & Claim Manager nur bei Bedarf hinzugezogen werden muss.

 

4. Kick-off-Meeting

 

Neben den Funktionen, welche dem Kick-off-Meeting in Zusammenhang mit dem reinen Übergang der Verantwortung vom Vertrieb zum Projektmanagement zukommen, kommen dem Kick-off-Meeting auch Funktionen innerhalb der Ablauforganisation des Contract & Claim Managements zu.  Dieses sind die folgenden:

 

  • Überprüfung der Klassifizierung des Projektes („Auftragsklassifizierung“) für das Contract & Claim Management (stimmt die Klassifizierung aus der Tender-Phase noch?) durch das Projektkernteam.
  • Namentliche Benennung des Contract & Claim Managers, der die Abwicklung des Projektes bis zur Abnahme durch den Auftraggeber begleiten wird. HINWEIS: Klasse „A“ = ein oder mehrere Contract & Claim Manager arbeiten auf Vollzeitbasis im Projekt mit. Zum Beispiel Klasse „C“ = ein Claim & Contract Manager ist für das Projekt namentlich benannt und kennt die Eckdaten des Projektes, muss aber nur bei Bedarf aktiv mit in die Projektarbeit einbezogen werden.
  • Besetzung der Rollen im Contract & Claim Management mit den Mitgliedern des Projektteams; z.B. namentliche Benennung eines Verantwortlichen zur Erfassung von Mehraufwänden während der Engineering-Phase. Weiterhin Benennung derjenigen Person, welche die Rolle des Baustellenkaufmannes einnimmt.
  • Festlegung der übergeordneten Strategie für das Claim Management im Projekt je vertraglicher Schnittstelle; z.B. für den Fall der Einstufung in die Klasse „A“ („Turnkey-Auftrag“):
    • Strategie in Richtung Auftraggeber des Projektes: moderat offensiv.
    • Strategie in Richtung Baukontraktor: offensiv.
    • Strategie in Richtung aller anderen Nachunternehmer: moderat offensiv.

Die Erarbeitung der in der Projektabwicklung je vertraglicher Schnittstelle  umzusetzenden Einzelmaßnahmen für das Claim Management erfolgen in einer separat stattfindenden Claim-Management-Strategie-Besprechung. Lediglich der Termin für diese Klausur wird im Kick-off-Meeting festgelegt. Der Teilnehmerkreis ergibt sich aus dem im Unternehmen festgeschriebenen Claim-Management-Handbuch.

 

Vorgenannte Claim-Management-Strategie-Besprechung ist ein Instrument der Ablauforganisation des Contract & Claim Managements während der Abwicklungs-Phase eines Projektes, welche nachdem Kick-off-Meeting beginnt. Wie diese Strategie-Besprechung ausgestaltet ist und welche weiteren Instrumente der Ablauforganisation des Contract & Claim Management noch während der Abwicklungs-Phase eines Projektes zum Tragen kommen sollten, darauf wird in Teil 2 des vorliegenden Artikels eingegangen (Erscheinungsdatum: voraussichtlich am 16.06.2016).

 

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